Flüchtlingskrise – Gran Canaria droht zum zweiten Lesbos zu werden

20 Nov, 2020
Ein Artikel von: Kenny Deppe

Die Kanaren stecken in einer Flüchtlingskrise. Die Zahl der Flüchtlinge hat sich verzehnfacht und Madrid weigert sich, sie aufs Festland zu bringen.

Als wäre die Corona-Krise nicht schon genug, entwickelt sich in Spanien gerade eine zweite, handfeste Krise. Die Kanarischen Inseln haben mit steigenden Flüchtlingszahlen zu kämpfen und die Situation dort gerät mehr und mehr außer Kontrolle. Im Hafen von Arguineguin auf Gran Canaria beispielsweise, befanden sich 2.000 Migranten in einem provisorischen Lager, das für 400 Personen ausgelegt ist. In diesem Jahr sind allerdings bisher etwa 17.000 Flüchtlinge mit Booten auf die Kanaren gekommen – das sind zehnmal mehr, als im gleichen Zeitraum des Vorjahres! Kleine Lager sind also bei weitem nicht mehr ausreichend.

Das Innenministerium in Madrid weigert sich jedoch, eine größere Anzahl an Menschen aufs Festland zu bringen, um ihnen bessere Lebensbedingungen zu ermöglichen. Man möchte den Eindruck vermeiden, dass die Kanaren ein Tor nach Europa sind. Lediglich 1.800 Flüchtlinge wurden 2020 von den Kanaren aufs Festland gebracht.

Die Bilder von Gran Canaria erinnern mehr und mehr an die Szenen, die wir bisher nur von Lampedusa und Lesbos kannten.

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Das kanarische Nachrichtenportal Canarias7 bekam auf Nachfrage bei offiziellen Stellen die Antwort, dass Innenminister Fernando Grande-Marlaska bereits vor Monaten mitteilte, dass er massiven Aufnahmen von Einwanderern aufs Festland nicht zustimmen werde. Als Grund nannte er eine Übereinkunft mit der Europäischen Kommission. Diese besagt, keine Lösungen zu gestatten, die als ein Erfolg der Migranten gewertet werden könnten. So soll ein „Anziehungseffekt“ vermieden werden, der weitere Menschen zur Flucht nach Europa animiert.

Der ursprüngliche Plan des Innenministers, Wirtschaftsflüchtlinge zu identifizieren und zurück in ihr Herkunftsland zu schicken scheitert aktuell. Denn Grenzschließungen aufgrund von Corona hatte damals niemand auf dem Zettel. Viele Länder weigern sich, de Migranten wieder aufzunehmen. Innenminister Grande-Marlaska ist deswegen heute nach Marokko gereist, um eine Lösung für die Situation zu finden.
Die Polizeigewerkschaft ASP stellte bereits die Forderung, Marokkanern generell keine neuen Visa mehr auszustellen, bis das Land seine Geflüchteten zurücknimmt.

Um die Situation in den überfüllten Lagern auf Gran Canaria etwas zu entspannen, soll nun ein neues Lager für 6.000 bis 7.000 Migranten entstehen. Eine Dauerlösung ist dies jedoch nicht, da alleine in den letzten Wochen etwa 2.000 Flüchtlinge ankamen. Es steht zu befürchten, dass viele den nur gut 100 Kilometer weiten Weg über den (noch) ruhigen Atlantik auf die Kanaren suchen und auch finden werden.

Der Präsident des Inselrats auf Gran Canaria, Antonio Morales, verriet gegenüber der spanischen Zeitung El País, dass er dem Innenminister gesagt habe: „Wir werden nicht akzeptieren, dass wir zu einer Gefängnisinsel werden.“ Weiter sagte er: „Ich habe es klar gesagt, aber nur ausweichende Antworten erhalten. Übersiedlungen aufs Festland waren beim Treffen ein Tabuthema, weil Europa nicht darüber sprechen will.“

Auch Mallorca hat Probleme mit Flüchtlingen

Auf den Balearen ist die Situation nicht so dramatisch wie auf den Kanaren. Aber auch hier hat man mit steigenden Flüchtlingszahlen zu kämpfen. In diesem Jahr sind bisher 107 Boote auf den Balearen angekommen.

In einem Hotel in Arenal, in dem derzeit einige Flüchtlinge untergebracht sind, spitzt sich die Lage nun zu. In der direkten Umgebung des Hotels stieg die Zahl der Diebstähle und Einbrüche und es gab Konflikte zwischen den Flüchtlingen und dem Personal. Die Migranten beklagen, dass sie das Hotel nicht verlassen dürfen wann sie wollen. Einige der dort untergebrachten, sind nun in einen Hungerstreik getreten.