Nach fast zwei Monaten U-Haft: Kegelbrüder aus Gefängnis frei

16 Jul, 2022
Ein Artikel von: Kenny Deppe

13 Urlauber aus Deutschland werden beschuldigt, am 20. Mai einen Brand in El Arenal verursacht zu haben. Nun wurden sie aus der U-Haft entlassen.​

So haben sie sich ihren Urlaub auf Mallorca sicher nicht vorgestellt. Am 20. Mai checkten 13 Mitglieder eines Kegelclubs aus Münster in ein Hotel in El Arenal ein. Sie wollten ein verlängertes Party-Wochenende an der Playa de Palma verbringen, doch bereits wenige Stunden nach ihrer Ankunft klickten die Handschellen. Ein Lokal unterhalb eines ihrer Hotelbalkone ging in Flammen auf und eine Zeugenaussage belastete die 13 Urlauber schwer. Jemand wollte gesehen haben, wie die Jungs Alkohol auf das Schilfdach der Terrasse des Lokals gekippt und brennende Zigaretten hinterhergeworfen haben.

Was folgte, waren acht Wochen voller widersprüchlicher Aussagen, die erhebliche Zweifel an den Darstellungen hinterließen. So veröffentlichte die Bild-Zeitung ein Foto von einem Balkon eines der Hotelzimmer der Kegelbrüder, unter dem sich das abgebrannte Lokal befand. Der Anwalt der Urlauber dagegen bezweifelte die Schuld seiner Mandanten, da ihr Balkon sich etwa 13 oder 14 Meter von der abgebrannten Terrasse entfernt befand. Auf einem Video soll zu sehen gewesen sein, wie die jungen Männer Zigaretten auf das Schilfdach des Lokals warfen. Auf einem anderen Video dagegen, sollen zwei andere Männer, die nicht zur Kegelgruppe gehören, dasselbe gemacht haben – die beiden Männer auf dem Video sollen zum Zeitpunkt des Feuers jedoch bereits aus dem Hotel ausgecheckt haben. Dann kursierte die Aussage durch die Medien, dass alle 13 Beschuldigten Nichtraucher seien. Weiterhin verwirrend: Sechs der Urlauber sollen sogar Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sein.

Ebenfalls für Verwirrung sorgte die Tatsache, dass alle Beschuldigten bei ihrem ersten Termin vor dem Ermittlungsrichter die Aussage verweigerten. Der Anwalt der Urlauber erklärte dies später damit, dass sie in einem Land, dessen Landessprache sie nicht sprechen, keinen Fehler begehen wollten. Bei einem weiteren Termin, zwei Wochen später, äußerten sich die Kegelbrüder dann zum Geschehen. Einer von ihnen kam frei, weil er zum Zeitpunkt des Brandes nachweislich unter der Dusche stand. Vier weitere kamen gegen eine Kaution von jeweils 12.000 Euro frei. Die verbleibenden acht mussten jedoch in Untersuchungshaft bleiben.
Außerdem legte der zuständige Ermittlungsrichter eine Solidarhaftung von 500.000 Euro fest. Damit sollten bei einem Schuldspruch die Schäden beglichen werden, die bei dem Brand entstanden sind. Die Familien der Inhaftierten brachten die Summe auf und überwiesen sie an das Gericht. Der Ermittlungsrichter bekräftigte jedoch zunächst, dass die Summe nicht angekommen sei. Später wurde die Überweisung dann doch gefunden. Aus der Untersuchungshaft kamen die restlichen acht Kegelbrüder jedoch nicht.

Handyfotos, falsche Uhrzeit, Urlaub des Richters, Termin beim Landgericht

Nach all dem Hin und Her, kamen die verbleibenden acht Kegelbrüder nun doch aus der Untersuchungshaft frei. Die genauen Gründe dafür sind nicht bekannt. Doch die bekannt gewordenen Hinweise bieten eine mögliche Erklärung.

Ein wohl sehr wichtiger Punkt ist ein Handyfoto, welches einer der Kegelbrüder auf dem Balkon des Hotels geschossen hat. Darauf zu sehen: zwei seiner Freunde, die auf dem Balkon sitzen. Im Hintergrund sieht man einen jungen Mann, der über das Geländer eines benachbarten Balkons lehnt und hinunterschaut. In seiner Hand soll er eine Zigarette halten. Der Mann gehört nicht zur Kegelgruppe. Das Handyfoto wurde zu einer Uhrzeit aufgenommen, an der das Zimmer, laut Hotelcomputer, eigentlich schon hätte leer sein sollen. Das Problem: Die Uhr der Hotelanlage soll nach Informationen der Mallorca Zeitung eine ganze Stunde nachgegangen sein!

Diese entlastenden Beweisen könnten es gewesen sein, die die Anwälte der Kegelbrüder zu einer erneuten Prüfung der Haft veranlassten. Das entsprechende Handyfoto wird man bei den spanischen Behörden allerdings schon länger gekannt haben – schließlich wurden die Handys der Beschuldigten auf Beweise untersucht. Und da der zuständige Ermittlungsrichter bisher nicht dazu bereit war, die Untersuchungshaft aufzuheben, wurde ein Termin vor dem höher gestellten Landesgericht festgelegt, um die Freilassung der Urlauber zu veranlassen.

Der Termin vor dem Landgericht ist nun jedoch nicht mehr nötig, denn der gestrige Gerichtstermin verlief anders als die Termine zuvor. Der zuständige Richter befindet sich derzeit im Urlaub. Seine „Urlaubsvertretung“ entschied nun, dass auch die anderen acht Beschuldigten, auf Kaution von jeweils 12.000 Euro, aus der Untersuchungshaft entlassen werden können. Die Summe wurde sofort gezahlt, weshalb die Acht noch gestern Abend das Gefängnis verlassen durften.

Der wohl längste und teuerste „Urlaub“ am Ballermann

Aus einem verlängerten Wochenende am Ballermann, wurde nun also ein fast zweimonatiger Aufenthalt im mallorquinischen Gefängnis. Neben den Kosten für Flug und Hotel, kamen zudem noch 144.000 Euro Kaution, sowie 500.000 Euro hinterlegte Solidarhaftung hinzu – das sind Summen, die nicht jeder „mal eben so“ aufbringen kann.

Zurück bleiben einige drängende Fragen. Was ist mit dem Video und der Zeugenaussage, die die Kegelbrüder belasten? Was ist mit dem entlastenden Foto auf dem Handy eines der Beschuldigten? Insbesondere im Zusammenhang mit der falsch eingestellten Uhrzeit der Hotelanlage? Diese „Details“ hätte man bereits früher bemerken müssen.
Die Kegelbrüder müssen übrigens nicht auf Mallorca bleiben. Sie dürfen zurück nach Deutschland, müssen aber für eventuelle weitere Gerichtstermine verfügbar sein.