Frisch nach Mallorca ausgewandert – und dann kam die Pandemie. Das ist die Geschichte von Julia und Chris, die nicht so einfach aufgeben wollen.
Corona betrifft uns auch auf Mallorca irgendwie alle. Besonders ungünstig ist es aber für diejenigen, die gerade frisch ausgewandert sind. Statt voll durchzustarten, zog die Pandemie erstmal die Handbremse. So ging es auch Julia und Chris. Aber aufgeben und zurück nach Deutschland? Das wollen sie nicht.
In Deutschland hatten sie sichere Jobs. Chris war bei den Stadtwerken angestellt, Julia arbeitete im Eigenheim als Friseurin. Wenn er arbeitete, passte sie auf die Tochter auf, wenn er nachmittags Feierabend machte, begann sie zu arbeiten. Sie waren seit zwei Jahren verheiratet. Was will man mehr?
„Wir hatten in Deutschland alles was man sich wünschen kann, aber… ja…“, blickt Chris schmunzelnd zurück, denn ein gemeinsamer Mallorca-Urlaub im Mai 2019 sollte alles verändern. „Dann waren wir einen Abend essen und haben ein bisschen rumgesponnen. Warum nicht auswandern nach Mallorca?“, erzählt Chris. Anfangs war es noch eine Spinnerei, sagt Julia: „Wir haben eigentlich drüber gelacht. Einen Salon aufmachen auf Mallorca, das wäre ja was.“ Zwei Wochen später, als sie wieder zuhause auf der Terrasse saßen, wurde aus der Spinnerei allerdings ernst. Chris fragte „Warum gehen wir eigentlich nicht nach Mallorca?“ Julias Antwort: „Ich weiss es nicht. Warum eigentlich nicht?“ Also begannen sie zu planen.
Der Plan war schnell beschlossen: Es sollte ein Friseursalon in Palma werden. Der war schnell gefunden und von da an ging es dann ganz schnell. In Deutschland wurde alles verkauft, das Haus wurde vermietet und am 1. November 2019 ging es auf nach Mallorca. „Wir haben uns natürlich schlau gemacht, was wir alles brauchen. Und wir hatten auch ein gewisses Startkapital um hierher zu kommen – was aber hier verpufft wie nichts auf der Insel“, erklärt Chris. Bereits einen Monat später eröffneten sie den frisch renovierten Salon Julia von Herff Hairartist in Palmas Santa Catalina-Viertel.
Chris war von der Anfangsphase begeistert: „Wir haben einen bombastischen Start hingelegt.“ Das liegt unter anderem auch an der Sprachenvielfalt, die bei Julia herrscht. Ihre Angestellte spricht Spanisch, weshalb auch Einheimische kommen. Julia spricht Russisch und ist auch in den entsprechenden Communities auf Facebook vernetzt. „Wir sind nicht nur auf die Deutschen angewiesen, sondern durch die vielen Sprachen etwas international. Wir haben auch viele englischsprachige Kunden“, sagt Julia. „So haben wir tatsächlich im zweiten Monat schon schwarze Zahlen mit dem Salon geschrieben“, sagt Chris. „Und dann kam Corona…“
Der Lockdown in Spanien traf kleine Unternehmen besonders hart. Auch Friseure durften nicht mehr öffnen. „Wir mussten schließen, aber weiter zahlen“, sagt Chris. Sozialversicherungsbeiträge, Miete, Mietsteuern – die Kosten liefen weiter. Das für die Mitarbeiterin beantragte Kurzarbeitergeld wurde auch erst nicht bezahlt, so haben die beiden auch ihr noch Geld gegeben, damit sie nicht ohne Mittel ist. Kurz vor Corona hatte das Auto den Geist aufgegeben und eine teure Reparatur am Fahrwerk hatte ein tiefes Loch in die Kasse gerissen.
Ärgerlich: Kurz nach der Reparatur tauchten die Probleme wieder auf, doch die Werkstatt bei der sie waren, machte während des Lockdowns Pleite. Geld weg, Auto noch immer kaputt. Es musste also ein neuer Wagen angeschafft werden.
Während des dreimonatigen Alarmzustands ist das Budget immer weiter geschrumpft und war nach dem Lockdown fast vollständig aufgebraucht. Als sie wieder öffnen durften, lief das Geschäft nur schleppend an. Als dann auch noch die Reisewarnungen für Mallorca kamen, brach das Geschäft erneut ein. „Wir hatten sehr viele Kunden, die hier ihren Zweitwohnsitz haben. Da waren es teilweise zehn Kundinnen in der Woche die gesagt haben, dass sie jetzt zum letzten Mal kommen“, erzählt Julia.
Irgendwann hatten die beiden gerade noch genug Geld, um zurück nach Deutschland zu gehen und in ihr altes Leben zurückzukehren. Anfang Oktober sagte Chris zu Julia: „Wir ziehen jetzt hier die Reißleine“.
Sie begannen ihre Rückreise vorzubereiten, alles abzumelden, suchten einen Nachmieter für den Salon und hatten schon fast die Koffer gepackt. Als sie aber mit dem Vermieter des Lokals die Details der Kündigung durchgehen wollten, kam alles ganz anders. „Er fragte uns: ‚Was kann ich machen, damit ihr bleibt? Ich mag euch und will nicht das ihr geht‘ – so ist er von sich aus mit der Miete sehr weit runter gegangen“, sagt Chris. Ein emotionaler Moment für Julia, Chris und ihre Mitarbeiterin, die vor der Arbeitslosigkeit stand. Die Rückwanderung war damit vom Tisch, auch weil Chris Familie die beiden unterstützt: „Wir haben auch das Glück, dass meine Mutter und mein Stiefvater uns finanziell unterstützen. Sonst würden wir es nicht schaffen.“
Nun arbeiten Julia und Chris daran, langsam wieder selbst für ihre Kosten aufkommen zu können: „Ich werde nächstes Jahr 40 Jahre alt. Da möchtest du nicht mehr ‚Mami hast du mal‘ und ‚Mami gibst du mal‘ machen.“ Das große Problem sehen die beiden aber darin, dass man aktuell nichts planen kann, weil man nicht weiß, wie sich die Situation entwickelt.
Abschließend nennt Chris noch eine Sache, die für ihn und seine Frau besonders wichtig ist: „Wir haben uns einen tollen Freundeskreis hier aufgebaut. Wir haben einen sehr kleinen, aber sehr guten Freundeskreis. Man baut sich gegenseitig auf und hilft sich gegenseitig. Man weiß, man hat auch noch jemanden hier, denn die Familie ist in Deutschland. Die Freunde die wir hier haben, sind sehr, sehr tolle Menschen und geben uns immer wieder Kraft.“