Wenn es die wahre Liebe wirklich gibt, dann vielleicht auf Mallorca

1 Mai, 2020
Ein Artikel von: Kenny Deppe

Schöne Geschichten kann das Leben ja schreiben. Vor 34 Jahren hatte ein junger Mann in Saint-Tropez eine Panne mit seinem Motorrad. Ein junges Mädchen schlenderte an der Promenade am Meer entlang und schaute ihm zu. Sie kam aus Köln, er aus Bonn. Da bot es sich an, Adressen zu tauschen (jaja, das tat man damals noch), und dann ging jeder seiner Wege.

Wochen später, das junge Mädchen kam gerade von seiner Rucksacktour durch Frankreich und Spanien zurück, trafen sie sich wieder. Nermin und Roman wurden ein Paar. Kurz zumindest, denn für Nermin kam es damals knüppeldick. Erst brannte das Haus ab, in dem sie wohnte, dann starb ein Freund und zu guter Letzt lag sie mit Blinddarm im Krankenhaus. Zu viel für die junge Frau. Sie packte die Koffer, verließ ihr ohnehin nicht mehr vorhandenes Haus und auch Roman. Sie blieb zwar in Köln, sah ihn aber nicht wieder.

Nermin machte Karriere als Sängerin. Ob für Werbespots oder mit großen Künstlern auf Tour. Das Leben hatte es ihr zu der Zeit leicht gemacht. Roman hatte sie nicht vergessen, aber irgendwann hatte sie eine neue Beziehung und lebte ihr Leben weiter. Und Roman? Ihn zog es nach Hamburg, wo er eine Ausbildung beim Fernsehen machte. Das lag nahe, denn Roman hat schon als Kind „Journalistengeschichte“ geschrieben. Bereits mit 11 Jahren war er Reporter für diverse Kinder- und Jugendzeitschriften. Dank seines Presseausweises gelang es ihm, an der Bundespressekonferenz teilzunehmen, die der damalige Bundeskanzler Willy Brandt über die Situation in der SPD abhielt.

Die von der SPD kannten Roman, denn er stand regelmäßig an der Pforte der SPD-Zentrale und bat um Unterschriften. Der Umgang mit Politikern war ihm also weder fremd, noch machte er ihm Angst. So war er auch ganz souverän, als es ihm als einem der wenigen Reporter erlaubt war, Willy Brandt Fragen zu stellen. Brandt erkannte den Unterschriftensammler und fragte: „Was machst du denn hier? Ist denn die Schule schon aus?“ Roman antwortete: „Ich bin Presse.“ Das war der Beginn einer wunderbaren Karriere. Er durfte in seinem Leben Königen, Kaisern, Präsidenten und selbst dem Dalai Lama, Clinton, Kofi Annan und Arafat begegnen.

Nach seiner Ausbildung war Roman weltweit unterwegs – unter anderem für ARD und ZDF. Zunächst als Produktionsassistent, dann als Produktionsleiter. Als solcher war er auch für das Weltsignal der Fußball-Weltmeisterschaften 1998, 2002 und 2006 verantwortlich.

Roman lebte schon an vielen Orten, jahrelang auch in Paris. 2007 zog es ihn nach Österreich und dort zogen ihn seine Gedanken auch zurück zu Nermin. Im Zeitalter von Myspace und Facebook schaut man ja gerne mal, was die so machen, die man von früher kennt. Er fand sie, denn Gott sei Dank hatte sie ihren Mädchennamen noch – sie wurden virtuelle Freunde. Auch wenn sie sich immer im Herzen getragen hatten, war der Kontakt nicht sehr rege, denn beide waren in Partnerschaften, hatten Kinder und lebten ihr Leben.

Nermin hatte Roman über die Jahre auf Facebook nicht so groß verfolgt, bekam aber mit, wie Roman von Tirol nach Berlin und schließlich nach Bremen zog. Roman konnte in dieser Zeit mitverfolgen, wie es Nermin vor nunmehr acht Jahren nach Mallorca verschlug, während er Kunstprojekte in Kuba und Nigeria verwirklichte.

Knapp zweieinhalb Jahre ist es nun her, da trennten sich die beiden fast zeitgleich von ihren Partnern – und nein, niemand war der Trennungsgrund des anderen. Der Kontakt zwischen Nermin und Roman wurde intensiver, auch wenn man bei der Entfernung nicht mal eben Kaffee trinken konnte. Im August 2017, also fast genau vor einem Jahr, sagte Roman: „Jetzt haben wir uns 33 Jahre nicht gesehen. Ich komme zu deinem Geburtstag.“ Vier Tage wollte er bleiben. Schon die Begrüßung war irgendwie vertraut, als wäre einer nur mal kurz weg gewesen. So, als hätte es die 33 Jahre Trennung nicht gegeben.

Nach vier Tagen musste Roman wieder nach Bremen. Er hatte dort Kunstprojekte und spielte sogar am Theater. Eine verrückte Rolle natürlich, in „Hänsel und Gretel“, mit Kronleuchter auf dem Kopf und im Kleid. Verrückt hin, Kultur her. Die Trennung fiel immer schwerer und so wurden Flüge gebucht, wann immer es die Zeit erlaubte. Zwischen Terminen und Theater ging es zu seiner Liebsten auf die Insel.

Beide waren der Meinung, wenn man sich nach so langer Zeit wiederfindet, sollte man sich nicht wieder für längere Zeit trennen. So kam am 9. Januar 2018 der Umzugswagen auf Mallorca an und seitdem wohnt Roman bei seiner Nermin. Beide leben genau das Leben, das sie sich vorgenommen haben. Nermin singt natürlich immer noch und man trifft sie unter anderem im Jazz Voyeur in Palma.

Kulturell ist Roman nach so kurzer Zeit bereits „anerkannter Mallorquiner“ und seine Kunstprojekte, die er gemeinsam mit Nermin macht, finden Anerkennung und Interesse. Er gibt sogar den Radiosendern Interviews in einem Gemisch aus Spanisch, Französisch und noch irgendwas. Er ist angekommen. Nein, falsch, sie sind angekommen und man kann das Knistern zwischen den beiden spüren.

Irgendwann hat Roman seiner Nermin sogar die Bilder gezeigt, die er vor 33 Jahren heimlich von ihr gemacht hat. Sie haben ihn in all den Jahren immer begleitet und haben jetzt vielleicht ja einen Ehrenplatz in der gemeinsamen Wohnung.