Corona und der „Patient Ballermann“

1 Mai, 2020
Ein Artikel von: Kenny Deppe

Ingo Wohlfeil, ein Kenner der Playa de Palma, zeichnet in einem Gedankenspiel eine düstere Zukunft, in der die Corona-Krise genutzt wird, den Ballermann ein für alle mal loszuwerden.

Nach dem Gedankenspiel des „Bild Mallorca-Ziehvaters“, möchten wir euch eine andere mögliche Zukunft des Ballermanns zur Diskussion stellen. Eine positivere Variante, in der das Ayuntamiento Palma es sich nicht erlauben kann, Corona als Ausrede zu nutzen, dem Ballermann den finalen Todesstoß zu verpassen.

Die Saison 2020 sehen wir ähnlich wie Ingo Wohlfeil: Die ist vermutlich gelaufen. In Österreich hat Sebastian Kurz bereits anklingen lassen, dass es diesen Sommer keine Reisefreiheit geben wird. In Frankreich ist die Rede davon, die Schengen-Grenzen bis zum September geschlossen zu halten. In Deutschland stehen zwei Wochen Quarantäne an, wenn man von nicht-geschäftlichen Auslandsreisen zurückkehrt. Das riecht alles nicht gerade nach Olé Olé und Schalala.

Und damit wären wir auch schon beim Thema. Dem „Patienten Ballermann“…

Man wird auch den Ballermann retten, denn Mallorca wird ihn brauchen! Sind wir mal ehrlich: Ein (überspitzt ausgedrückt) paar 5 Sterne Hotels und einige weiß angemalte Lokale alleine, machen noch kein 5 Sterne Ambiente aus. Die Destination „Palma Beach“ existiert nur vereinzelt, der Großteil der Playa de Palma ist noch immer… nun ja… die Playa de Palma. Die zweite Linie und ihre Seitenstraßen, mit ihren gefühlt 0,5 Meter breiten Gehwegen, taugen nicht für Luxusurlaub. Da muss umgebaut werden. Aber wo soll das Geld dafür herkommen? Mallorca kann das nicht stemmen, Spanien seine Bevölkerung nicht ernähren und die EU wird dafür auch nichts geben – da gibt es wichtigere Probleme. Und wie das top luxuriöse Wohnviertel ab Höhe Balneario 3 beim gewünschten Publikum ankommt, lässt sich ebenfalls erahnen. Da führt der geneigte 5 Sterne+ Urlauber sicher gerne seinen Champagner-Geldbeutel spazieren.

Den von der Regierung gewünschten Wandel der Playa, wird Corona nicht beschleunigen (können). Dieser Wandel geht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein langwieriger Prozess. Sieht man diesen Prozess nun als schlagartig abgeschlossen an, bleibt Palma Beach leer. Das alte Publikum bleibt weg und das neue Publikum kommt nicht. Mallorca hat ganz andere Ecken für „Qualitätstouristen“. Will man den Wandel, muss man den langen Weg gehen, Schritt für Schritt.

Warum nicht mit dem Ballermann arbeiten, statt gegen ihn?

Es wird nicht funktionieren, bzw. ein sehr harter Weg werden, wenn man gegen die an der Playa ansässigen Unternehmen arbeitet. Man sollte sie viel mehr davon überzeugen einen Weg einzuschlagen, wie ihn z.B. der Megapark mit den Bars in der oberen Etage ging. Dort gab es das Palma Beach-Publikum bereits, bevor auch nur irgendwer wusste, dass es Palma Beach jemals geben wird. Unten tobte dagegen der ganz normale Ballermann-Wahnsinn. Hätte man dem Megapark erlaubt so weiter zu machen, hätte man bereits eine größere Basis für 5 Sterne-Tourismus an der Playa. Und wäre das Verhältnis eines Tages gekippt, hätte der Megapark auch unten irgendwann in Richtung „Feiern mit Stil“ umbauen können. Bei diesen Überlegungen ist natürlich das ganze Drama um die mutmaßlich fehlenden Baugenehmigungen außen vor.

Auch der Bierkönig könnte mit dem „Bierkönig Centre“ (der neue Bereich) einem anderen Publikum einen Platz bieten. Mit der „Feria de la cerveza artesanal de Mallorca“, oder dem Weihnachtsmarkt, begann man dort ja bereits, auch außerhalb der Saison für Programm zu sorgen. Was will man mehr? Und mit dem Schlager Fest, oder dem Auftritt von Beatrice Egli, hat man auch während der Saison schon erste, vorsichtige Schritte gewagt, ein Programm für ein anderes Publikum anzubieten. Genau wie der Megapark dies in der Show Arena inzwischen verstärkt betreibt. Für uns eindeutige Signale, dass die bösen, bösen Partytempel sich einem Wandel nicht komplett entgegenstellen. Auf dieser Kompromissbereitschaft kann man doch aufbauen. Wenn man dann auch noch die Umgebung einem anderen Publikum anpasst, kann man gemeinsam in Richtung Palma Beach arbeiten. Aber wie gesagt, das ist ein langwieriger Prozess.

Stattdessen hat man erstmal 4 und 5 Sterne-Hotels zwischen Imbissbuden gesetzt, einen Bußgeldkatalog fürs Sonnenbrillenkaufen bei Straßenhändlern in die Köfferchen der nicht vorhandenen Polizei gelegt und gehofft, dass sich alles irgendwie von alleine regelt. Begleitet wurde das ganze von „wackeligen“ Werbespots zu Alkoholkonsum mit Bedacht, einem Speiseverbot in der Schinkenstrasse und den ewig gleichen Versprechen, es dieses mal wirklich anzugehen. „So… nimmt das kein gutes Ende!“, um die Werbekampagne der Palma Beach-Vereinigung zu zitieren.

Man kann sich den plötzlichen Wandel nicht leisten

Man hat den Wandel über Jahre vergeigt. Heute stemmt man ihn nicht mit einer ausgefallenen Saison. Es wird vor allem an den Finanzen scheitern. Die Balearen haben gewaltige Probleme und packen es auch ohne große Umbauarbeiten an der Playa nicht ohne massive Hilfen aus Madrid. Francina Armengol, die Ministerpräsidentin der Balearen, hat vor kurzem schon daran erinnert, welche bedeutende Rolle die Balearen während der letzten Krise für das Land gespielt haben. Der Krise, die für Spanien so groß war, dass sie bis heute einfach nur „la crisis“ heißt. Nicht Immobilienkrise, Bankenkrise, Weltwirtschaftskrise oder Krise von 2008. Nein, einfach nur „la crisis“. Mit der Erinnerung daran verknüpfte sie auch die Bitte, die Balearen nach der aktuellen Krise nicht zu vergessen, da es hier dieses mal wohl länger dauern wird, bis die Inseln wieder auf die Füße kommen. Mallorca half Spanien beim letzten mal, nun soll Spanien bitte auch Mallorca helfen.

In Spanien – und insbesondere auf den Balearen – wird es aber an allen Ecken und Enden mangeln. Das da irgendwer den Geldbeutel öffnet, um den Traum einer veränderten Playa des winzigen Ayuntamiento de Palma zu verwirklichen, sehe ich nicht. Madrid wird kein Verständnis dafür haben, dass man mit der vorhandenen Gelddruckmaschine Ballermann nicht zufrieden ist und lieber Touristen hätte, die Champagner statt Sangria aus Eimern saufen. Zumal man sich zählbare EU-Hilfen wohl von der Backe malen kann. Euro-Bonds, oder Corona-Bonds, sind eh schon kaum vorstellbar. Wenn die anderen EU-Staaten dann noch mitbekommen, dass unser Vizepräsident, Pablo Iglesias, gerne etliche Unternehmen verstaatlichen würde, Besitzer von leerstehenden Wohnungen zur Vermietung an Bedürftige zwingen will und auf ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Bürger besteht, machen sie mit Sicherheit komplett dicht. Für solche Späße werden nicht nur die Niederlande nicht zu haben sein. Kein EU-Land wird bereit dazu sein, mit seiner eigenen Kreditwürdigkeit für monatliche Geldgeschenke an alle Spanier und Verstaatlichungen zu zahlen. Keines! Aber genau diese Dinge gehören zu den Grundsätzen des Pablo Iglesias. Dafür ist er in die Politik gegangen. Ich kann mir daher beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich irgendwer in Madrid dafür interessieren wird, ob Palma lieber andere Touristen an der Playa hätte. Mehr als ein verständnisloses „Euer Ernst!?“, wird da nicht kommen.

Wird der Ballermann die aktuelle Lage finanziell überleben?

Gute Frage… Kommt vermutlich auf die Geldbeutel der Betroffenen an. Echte staatliche Unterstützung, die man dem Bierkönig und Megapark verweigern könnte um ihnen zu schaden, gibt es bisher jedenfalls kaum. Bisherige Hilfen bestehen in erster Linie nur aus Krediten und der Möglichkeit, Sozialversicherungsbeiträge später zahlen zu dürfen. Bringt einen aber nicht weiter, bei einem Einnahmenfluss von 0,0 seit Oktober vergangenen Jahres (bis voraussichtlich April 2021).

Für Unternehmen gibt es unter der aktuellen Regierung nichts zu lachen. Mitarbeiter dürfen nicht mehr entlassen werden, man kann sie höchstens in eine Art „temporäre Arbeitslosigkeit“ schicken (ERTE). Mit Beendigung der Krise ist man dann allerdings verpflichtet, seine vorübergehend entlassenen Mitarbeiter für mindestens sechs Monate zu beschäftigen. Rechnen wir doch mal… Selbst Optimisten gehen inzwischen davon aus, dass das alles bis August geht – und der Verband der 26 wichtigsten Touristikunternehmen Spaniens geht davon aus, dass es nach Ende des Alarmzustands einen Monat dauert, den Tourismus wieder hochzufahren. Wir hätten also den September, wenn die Optimisten recht haben. Welcher Saisonbetrieb auf Mallorca kann bitte mit den Einnahmen eines Monats sein Personal bis einschließlich Januar 2021 beschäftigen? Das geht völlig an der Realität vorbei, weshalb einige Betriebe hier schon angekündigt haben, definitiv geschlossen zu bleiben, selbst wenn es noch eine kleine Saison gibt. Nein, Hilfen kann man den „Unterstützern des Sauftourismus“ kaum verweigern. Man muss viel eher hoffen, dass nicht noch weitere „Hilfen“ kommen, die einen vollends ruinieren.

Treffen wird es mit Sicherheit etliche kleinere Gastronomen. Auf der Insel der Glücksritter werden sich aber auch wieder Neuankömmlinge finden, die diese Läden gerne übernehmen. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Nächstes Jahr nur eben in bisher unbekannten Ausmaßen. Und sollten bis dahin nicht die für den Ballermann „systemrelevanten“ Läden ihre Schließung bekannt gegeben haben, werden aus den alten Imbissbuden und Supermärkten auch mit neuen Besitzern wieder nur Imbissbuden und Supermärkte. Gehen Bier- und Schinkenstrasse tatsächlich pleite, werden aus Imbissbuden und Supermärkten wohl erstmal leerstehende Lokale. Für Kleiderständer voller im Wind wehender, weißer Leinenkleider, gibt es vermutlich kein ausreichend großes Vertrauen in den Qualitätstourismus am Palma Beach.

Treue Urlauber, kompromissbereite Partytempel

Die Frage ist nicht, ob man den Ballermann mit Corona untergehen lassen möchte. Die Frage ist viel eher, ob man sich diesen Spaß leisten kann! Der Ballermann mag ungeliebt sein, aber er funktioniert zuverlässig. Man hat die Urlauber als deutschen Abschaum bezeichnet, immer neue Verhaltensregeln und Bußgeldkataloge aufgestellt, lässt Hütchenspieler und Klauh***n frei agieren, hat Freibier, Happy Hours und Werbung mit Alkohol verboten, hat Bierpyramidenbauende Ballermann-Barden vertrieben, hat Peter Wackel als Werbegesicht für weniger Alkoholkonsum gewonnen… Und trotz der Alternative in „Bulle“, wollten noch immer alle nach Malle. Treuere Touristen wird man nicht finden. Die zu vergraulen, kann man sich nicht leisten. Da sollte man lieber Bierkönig und Megapark erhalten und dazu animieren, mit Bookings von Künstlern wie Pietro Lombardi, Blümchen, Beatrice Egli und Kerstin Ott weiterzumachen (parallel zum gewohnten Programm) und gemeinsam, Schritt für Schritt an einem natürlichen Wandel zu arbeiten. Die Party hat sich schon oft verändert, aber der Ballermann ist immer geblieben. Man sollte also nicht gegen ihn arbeiten, sondern ihn mitnehmen. Zumal sich eben tatsächlich die Bereitschaft der beiden Großen zeigt, diesen Wandel zumindest mal auszuprobieren.