Gastbeitrag – Christian Schmitfranz über die Schließungen am Ballermann

19 Jul, 2020
Ein Artikel von: Gast

Mein Name ist Christian Schmitfranz, ich bin 34 Jahre alt, und einer der sogenannten asozialen Sauftouristen, wie Iago Negueruela mich nennen würde. Allerdings, wie sie sich denken können, habe ich eine andere Meinung dazu.

Doch alles der Reihe nach:
Viele von Ihnen kennen diese überzogene Aussage des Balearischen Tourismusminister und wer noch nie zwischen Ballermann 5 und 7 unterwegs gewesen ist, der wird ihm womöglich sogar Glauben schenken.
Der Ballermann ist bestimmt vieles, aber asozial gewiss nicht. Denn wo sonst lernt der „Professor Dr.“ den „Maler und Lackierer“ kennen und lieben. Wo sonst kommen die Menschen generationsübergreifend zusammen und teilen ihren Jahresurlaub miteinander? Einst war ich sogar mit Krücken nach einer schweren Knieverletzung anwesend, so viel Hilfsbereitschaft habe ich nirgends im Leben wieder gefunden. Ich wurde von einer Fußballmannschaft die Treppe zur Toilette hochgetragen. Szenen die in jeder deutschen Disco undenkbar wären.
Seit 2007 war ich über fünfzig Mal vor Ort, nicht weil ich gerne in fremden Ländern für Randale sorge, sondern weil der Ballermann mehr ist als ein Partytrip. Der Ballermann ist ein Lebensgefühl.

Christian an der Playa de Palma

Du liebst oder hasst ihn. Er polarisiert, warst du aber einmal dort, ist es schwer wieder von ihm loszukommen. Jedoch ist der Ballermann auch ein Spiegel unserer Gesellschaft. Genau wie viele andere Orte im In- und Ausland. Resultierend daraus, zieht er auch ein paar wenige Prozent Problemklientel an. Ich kann den Ballermann-Gegnern jedoch versichern, diese Menschen wollen weder sie noch wir vor Ort haben!

Sie werden sich nun fragen, wie dieses Bild mit den ausufernden Partyexzessen vom letzten Wochenende zusammen passt? Ganz einfach. Gar nicht!

Doch zu den Geschehnissen vom vergangenen Freitag möchte ich mich nicht äußern. Wer diesen Text liest, weiß mittlerweile worum es ging. Nach gut 1,5 Stunden war die Situation aber auch unter Kontrolle, die Betreiber lernten umgehend daraus und erweiterten die Sicherheitsmaßnahmen. Selbstständig, ohne Hilfe der Behörden, die schon vorher auf den Straßen schlichtweg nicht anwesend waren: Wie kann das sein?

Es ist doch kein Geheimnis, dass gerade am Wochenende viele Deutsche Ballermanntouris sich aufmachen gen Süden und das früher oder später die wenigen Ausgehalternativen zum Problem werden würden?

Zur Erinnerung: Wenn es nach der Ministerpräsidentin Francina Armengol ginge, sollten die Branchenriesen bis es einen Impfstoff gibt geschlossen gehalten werden. Wie am späten Samstagabend bekannt wurde, ließ die Regierung ein entsprechendes Dekret bereits am 25.06 vor Gericht prüfen und hielt es dennoch unter Verschluss.

Die Balearische Regierung versucht schon seit Jahren gegen die Sauftouristen vom Ballermann vorzugehen. Die Coronakrise und die damit vorhandene Verunsicherung quer über den Globus, macht es möglich.

Ich war selbst am ersten Wochenende vor Ort, und genau das waren unsere Erlebnisse. Der Lockdown in Spanien ist für alle Deutschen kaum vorstellbar und die Menschen sitzen zwischen den Stühlen. Viele leben zwar vom Tourismus, fürchten aber einen weiteren Lockdown aufgrund von steigenden Infektionszahlen.

Als Präventivmaßnahme gegen das Virus kann man sogar Kollektivstrafen gegen unschuldige Betreiber, die ihre Lokale noch gar nicht geöffnet hatten, rechtfertigen. Gerade für uns Deutsche, sollte das eigentlich unvorstellbar sein.

Argumentiert wird zwar, dass es keine Reaktion auf die Geschehnisse vom Wochenende sei, sondern die Gesundheit aller bei ähnlichen Verhältnissen auf dem Spiel stünde. Dass die Branchenriesen „Megapark“ und „Bierkönig“ jedoch über ausgewiesene Sicherheits- und Hygienekonzepte verfügen, welche sogar vom spanischen Gesundheitsministerium abgesegnet wurden, wird dabei wissentlich ignoriert.

Es steht mir als Tourist auch gar nicht zu das Ganze zu bewerten. Ich möchte allerdings auf einen gewaltigen Widerspruch in dieser Argumentation hinweisen: In Katalonien ist das Virus leider wieder stark auf dem Vormarsch und laut Meldungen vom Samstagabend nur noch schwer zu kontrollieren. Trotzdem erwägt die Regierung auf Nachfrage dieser Redaktion am Samstag, keinerlei zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für Reisende aus dieser Region. Wenn es doch um die Gesundheit aller geht, passt das meiner Meinung nach nicht ins Bild!

Und ich möchte die Balearische Regierung daran erinnern, dass sie dafür zuständig ist, im Sinne ALLER Einheimischen zu handeln. Aufgrund der oben beschriebenen Vorgehensweise, stehen tausende Mallorquiner an der Playa de Palma vor dem finanziellen Ruin. Nicht nur die Betreiber, auch Hotelangestellte, Kellner, Putzkräfte, Lieferanten, selbst Klimatechniker haben weniger Aufträge.

In Spanien wurde am 21.06 die „neue Normalität“ ausgerufen. Doch eine Normalität muss für alle gelten, jeder muss im Rahmen der Regeln die Möglichkeit haben, sich neu zu erfinden. Und das wird nicht gegeneinander sondern nur miteinander funktionieren.

Wir werden im August bereits zum dritten Mal in diesem Jahr auf die Insel kommen. Nicht weil wir asoziale Sauftouristen sind, sondern weil wir unsere Freunde vor Ort nicht im Stich lassen werden. Bitte tun Sie das auch nicht…