Meinung: Mutmaßliche Gruppenvergewaltigung auf Mallorca

17 Jul, 2023
Ein Artikel von: Dagmar Grabsch

Die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung ist das Top-Thema – nicht nur auf Mallorca. Aber was wissen wir eigentlich wirklich?

Das Top-Thema der letzten Tage ist die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung auf Mallorca. Wir nehmen euch jetzt einmal mit auf eine Reise durch die “Fakten”.
In den letzten Tagen erreichen uns immer wieder mehr oder weniger nette Fragen, warum wir nicht über den Migrationshintergrund der mutmaßlichen Vergewaltiger berichten. Wir sollten doch endlich deren Namen und Herkunft nennen – und so weiter. Spanische Medien würden das auch tun.

Unseres Wissens gab es einen Artikel von einer spanischen Zeitung. In dem war zu lesen, dass die jungen Männer einen Migrationshintergrund hätten. Bestätigt wurde das nach unseren Informationen von öffentlicher Seite bisher nicht.
Auch wurden wir des Öfteren gefragt, warum die einen so und die anderen so berichten würden. Wir gestehen, wir haben “Informationen” weggelassen. Nämlich genau die, die wir weder bestätigen noch widerlegen konnten. In unseren Augen ist es wenig zielführend, wild im Nebel zu stochern und “irgendwas” zu behaupten.
Wir haben uns daraufhin zusammengesetzt und mal zusammengetragen, was eigentlich aus unserer Sicht die mutmaßlichen “Fakten” sind.

Fangen wir bei den beteiligten Personen an. Mal ist die junge Frau 18, mal 20 Jahre alt. Mal ist sie aus Dortmund, dann wieder aus Hannover. Die Männer kommen mal aus Dortmund, mal aus Iserlohn und dann wieder aus Lüdenscheid. Klar, wir hätten uns auch an den Spekulationen beteiligen können, immerhin haben wir die Kontaktdaten eines Anwalts der in Deutschland sitzt. Könnten also mal locker aus der Hüfte zuerst einen Ort in den Raum geworfen haben. Aber nur weil der Anwalt in Ypsilonhausen wohnt, heisst es nicht, dass auch die Tatverdächtigen genau dort leben. In der Region vermutlich schon. Aber Halbwissen ist nun mal kein Wissen – für uns zumindest nicht.

Auch über das Alter der jungen Männer gibt es unterschiedliche Aussagen. Inzwischen hat sich das allerdings bei 20 bis 23 Jahren eingependelt.
Die Nationalität wurde mit “deutsche Urlauber” in die Köpfe der Allgemeinheit gesetzt. Dann tauchten erste Berichte darüber auf, dass einer der Verdächtigen einen türkischen Pass haben soll. Später hieß es in einer spanischen Zeitung, alle sechs hätten einen Migrationshintergrund.
Sicher wissen wir, dass zwei der Tatverdächtigen türkischer Abstammung sind. Das wissen wir, weil wir es selbst erfahren haben. Die Eltern von einem der jungen Männer waren zum Haftprüfungstermin vor dem Gericht anwesend. Der Vater erzählte uns von seinem Sohn. Er sprach übrigens fehlerfreies Deutsch und berichtete, dass sein Sohn sogar Abitur gemacht und studiert hätte. Ob man in solch einem Fall noch auf dem “Migrationshintergrund” herumreiten muss? Das muss jeder für sich entscheiden.

Nach all den Spekulationen gehen wir nun über zur mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung. In einigen Berichten soll es bereits Sex am Strand gegeben haben. Dann wieder heißt es, dass man im Hotel des jungen Mannes abgewiesen wurde, weil die junge Frau dort nicht Gast war. Man sei dann ins Hotel der anderen Männer gewechselt, wo es diese “Kontrollmechanismen” scheinbar nicht gab, jeder kommen und gehen konnte, egal ob Gast oder nicht.
Uns persönlich stellt sich hier die Frage, woher der junge Mann den Schlüssel zum Zimmer gehabt haben möchte, wenn die anderen mutmaßlichen Täter doch Medienberichten zufolge erst später dazu kamen.

Im Hotel sei es zu einvernehmlichem Sex gekommen. So weit, so stimmig. Ab jetzt wird es erneut spekulativ. Mal soll die junge Frau mit einem weiteren der Freunde einvernehmlichen Sex gehabt haben. Dann wieder soll sie sogar bei zwei der weiteren mutmaßlichen Tätern zugestimmt haben.
Soweit ist alles noch irgendwie „naja“. Der Tathergang wurde von den Behörden unseres Wissens insofern bestätigt, dass sie mit einem der Männer einvernehmlichen Sex hatte. Der Rest? Mutmaßungen.
Wenn Alter und Wohnort der Beteiligten falsch sind, ist das sicher keine journalistische Meisterleistung, aber irgendwie verständlich, wenn jeder die Meldung zuerst haben möchte. Spätestens beim Tathergang aber, sollte man irgendwie ein bisschen Verantwortung zeigen.

Und dann kommt plötzlich ein ganz neues Recherche-Ergebnis ins Spiel

Die Mallorca Zeitung will gestern (16.07.) aus Ermittlerkreisen erfahren haben, dass alles nun doch ganz anders gewesen sein soll. Demnach soll die junge Frau vor dem Ermittlungsrichter ausgesagt haben, dass sie zunächst einvernehmlichen Sex mit allen hatte. Sie hat also mutmaßlich dem Gruppensex zugestimmt. Genau das also, worum es im spanischen „Nur Ja bedeutet Ja“ Gesetz geht. Später soll sie es sich anders überlegt haben, ohne dies jedoch zu kommunizieren.
Bei Mallorca Zeitung heißt es: „Die Frau willigt zunächst in den Gruppensex ein. Doch dann besinnt sie sich eines Besseren. Sie sagt es nicht, wie sie später bei ihrer Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter berichten wird, doch sie will es nicht.“
So etwas schreibt die Mallorca Zeitung nicht leichtfertig. Das wird gut recherchiert sein. Diese Version könnte also der Wahrheit sehr nahe kommen.
Das würde alles in ein anderes Licht rücken und die jungen Männer könnten bald frei kommen.
Hinzu kommt, dass heute auch der Ermittlungsrichter auf Antrag der Verteidigung ausgetauscht wurde.

Völlig verwirrend allerdings auch der Hergang nach der eigentlichen Tat. Einmal soll die junge Frau bereits über die Rezeption des Hotels die Polizei verständigt haben. Anderswo ist zu lesen, dass einer der Tatverdächtigen sie in ihr Hotel begleitet haben soll. Zum Hotel begleitet hat sie in der einen Zeitung der Mann, mit dem sie zuvor einvernehmlichen Sex hatte. In der nächsten ist zu lesen, es sei der Mann gewesen, der freikam. Der also, der von all dem nichts mitbekommen haben will, weil er auf dem Sofa geschlafen haben soll.

Immer neue und verwirrende “Tatsachen” bringen vermutlich nicht nur uns durcheinander. Es sind TV-Teams auf der Insel unterwegs, es werden Urlauber befragt und auch Hotelgäste gesucht von dem Hotel, wo sich die Tat zugetragen hat. Für viele Meldungen dürfte also weiterhin gesorgt sein.

Wir wünschen allen Beteiligten, dass die Wahrheit möglichst schnell ans Licht kommt.