Paguera: Deutsche wollen gegen mallorquinisches Traditionsfest klagen

17 Apr, 2023
Ein Artikel von: Kenny Deppe

Eskalation vorprogrammiert: Warum Deutsche in Paguera die Mallorquiner wegen ihrer Tradition verklagen wollen.​

Was war denn da eigentlich schon wieder in Paguera los? Während die Mallorquiner – wie jedes Jahr um diese Zeit – die Fiesta de la Gran Verbena auf Pagueras Festplatz an der Playa Tora feierten, beschweren sich die deutschen Gastronomen und überlegen sogar das Rathaus zu verklagen.
Sascha Thielen, der das Red Rubber Duck betreibt, sprach gegenüber der Mallorca Zeitung von Umsatzeinbußen von 70 Prozent. Anja Trinks, die direkt nebenan das Vivo Beach betreibt, sprach gegenüber Mallorca Magazin gar von 7.000 Euro Verlust nur am Donnerstag und Freitag, als die Aufbauarbeiten für das Fest liefen.

Gut, zugegeben… wenn neben der Terrasse ein Generator läuft, oder Klohäuschen den Blick auf den ansonsten leeren und tristen Platz versperren, dann mag das sicherlich nicht förderlich für den Umsatz sein. Andererseits ist den dort ansässigen Gastronomen bekannt, dass gelegentlich Feste auf der Plaza Tora stattfinden. Mietet man dort ein Lokal mit Terrasse, unterschreibt man sogar, dass Teile der Außenbestuhlung unter Umständen für die Dauer einer Veranstaltung entfernt werden müssen.

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Blick auf die Bühne, statt auf den leeren Platz.

Aber das soll überhaupt nicht das Thema dieses Beitrags sein. Es geht hierbei mehr um die Auswirkungen, die die Beschwerden einiger deutscher Gastronomen haben. Der Artikel des Mallorca Magazins schaffte es nämlich auch in die spanischsprachige Schwesterzeitung Última Hora – wo er bei den Lesern überhaupt nicht gut ankam. Um die wütenden Kommentare zu verstehen, muss man allerdings einen Blick auf die derzeitige Situation auf Mallorca werfen.

Probleme über Probleme im „17. Bundesland“

Fragt man die Mallorquiner, erstickt die Insel gerade an ihrer Beliebtheit. Mal zwei aktuelle Beispiele zum Thema Mietpreise:
Als wir kürzlich unseren Mietvertrag erneuerten, sprach unsere Vermieterin über die Lage in Santanyí, wo sie lebt. Der Ort sei bei Deutschen aktuell „de moda“, was in etwa „im Trend“ bedeutet. Es werde zwar viel gebaut, aber nur die Deutschen könnten die Mieten zahlen, die die Mallorquiner sich einfach nicht leisten können.
Ein anderes Beispiel erlebten wir auf einer Behörde. In einem lockeren Gespräch darüber, wie schwer es war den Termin zu bekommen, fragte die Mitarbeiterin uns (rhetorisch), ob wir wissen woran das läge. Ihre simple Antwort: „Weil es zu viele Menschen auf Mallorca gibt.“ Sie erklärte uns daraufhin, dass ihre Kinder sich keine eigene Wohnung leisten können und sie nicht weiß, wo das alles enden soll.

Hinzu kommen noch die anderen Probleme, wie völlig überlastete Straßen, Taxi-Fahrer die nur lukrative Fahrten zum Flughafen annehmen (wo Einheimische in der Regel nicht hin wollen) permanenter Wassermangel, das (Un)Verhalten einiger Urlauber am Ballermann und in Magaluf… und noch so einiges mehr. Die Dinge summieren sich eben.

Das darf man jetzt bitte nicht falsch verstehen! Die Mallorquiner wissen, dass sie vom Tourismus leben. Keiner will hier die Insel abschotten und mit dem Eselskarren über den Acker ziehen. Aber die Gesamtsituation lässt schon bei einigen den Gedanken aufkommen, dass es so nicht ewig weitergehen kann. Nicht umsonst hat die Balearenregierung ein Moratorium bei der Bettenanzahl beschlossen, die Ferienvermietung in einigen Regionen verboten und spricht über Mietwagen- und Fluggast-Obergrenzen.

Zurück nach Paguera und den sich beschwerenden Deutschen

Wenn in dieser Stimmungslage nun also Deutsche kommen und dem Rathaus mit Klage drohen, weil ein mallorquinisches Fest ihnen drei Tagen Umsatzeinbußen gebracht hat… dann ist das… wie soll ich sagen? Nicht klug!?
Im Kommentarbereich der Última Hora zeigt jedenfalls kaum einer Mitleid mit den „armen Deutschen“. Ganz im Gegenteil, es fallen recht heftige Kommentare. „Sollen sie nach Deutschland zurückgehen“, „Die Deutschen wollten Mallorca schon immer kaufen“, „Jetzt will uns dieser Parasit auch noch sagen, wie wir unsere Feste zu feiern haben“
Eine Leserin packte sogar ihre Englischkenntnisse aus und riet: „Go to your country stupid cow“. Ein weiterer Leser regte gar an, man solle doch die Schlagzeile ändern, in: „Leute, die nicht von der Insel sind, kommen her und sind von unseren Feste und Traditionen genervt und wollen klagen um sie zu ändern.“

Nochmal: Die Mallorquiner wissen, dass sie von Touristen und ausländischen Residenten leben. Aber gerade wir als Deutsche sollten doch auch wissen, dass in einer multikulturellen Gesellschaft der Ton die Musik macht. Man stelle sich nur mal vor, in Deutschland würde ein Ausländer mit Klage gegen Deutsche Bräuche und Feste drohen. Das Ergebnis wäre ein riesen Aufschrei und wieder ein Prozentpünktchen mehr für die AfD. Und das läuft hier in Spanien nicht anders. Wir können nicht irgendwo hinkommen, uns breit machen und dann verlangen, dass alles – und insbesondere Traditionen – nach unseren Wünschen geändert wird!

Sicher, man kann mit den Veranstaltern darüber diskutieren, ob die Klohäuschen jetzt unbedingt neben der Terrasse eines Lokals aufgebaut werden müssen. Vollstes Verständnis. Aber gegen ein traditionelles Fest auf dem Festplatz des Orts klagen zu wollen, obwohl man unterschrieben hat, dass es durch die dort stattfindenden Feste zu Einschränkungen im Betrieb kommen kann… nein, damit macht man sich keine Freunde. Insbesondere nicht in einer Situation, in der die Mallorquiner den Eindruck haben, sie können sich das Leben in ihrer eigenen Heimat nicht mehr leisten. Wenn man da mit Klage gegen ein mallorquinisches Fest droht, weil man drei Tage Umsatzeinbußen hat, lässt das einiges an Verständnis und Integrationswillen vermissen.
Ja, die Saison ist kurz und der Umsatz muss für das ganze Jahr reichen. Aber Mallorca gehört uns nicht. Wir sind hier nur zu Gast. Oder freundlicher ausgedrückt: Auch die Mallorquiner haben noch immer ein kleines Recht auf ihre Heimat.