Wenn die Gläser Samba tanzen – mein Leben über einem illegalen Club

9 Apr, 2022
Ein Artikel von: Dagmar Grabsch

Spanisches Recht gilt für alle? Nicht für manche Auswanderer – und so wird ein Delikatessenladen zum illegalen Club.

Es ist Freitagnachmittag und ich scrolle durchs Facebook. Plötzlich sehe ich einen Artikel der Mallorca Zeitung mit dem Titel „Hier werden Poetry-Slam-Fans in Palma de Mallorca glücklich“.
„Oh, Mist, die haben den schönen Laden bei uns im Haus auch entdeckt und berichten zuerst“, dachte ich. Dabei war eigentlich unsere Idee, über den Laden zu berichten. Naja, was solls… unsere Geschichte ist ja eine andere. Bei uns soll es darum gehen, wie ein illegaler Club zu einem legalen wird. Ärger mit den Nachbarn, Behördengänge und… und… und…
Um genau zu sein hätte es eine ganz andere Geschichte werden sollen, die aber noch am selben Abend eine Wendung nehmen sollte, die ich mir nicht hätte träumen lassen.

Seit Mitte Februar leben wir in unserer recht ruhigen Wohnstraße mit einem illegalen Club. Illegal? Ja, denn es gibt keine Lizenz für Veranstaltungen. Betrieben wird der Club, der mal ein Delikatessenladen war und auch noch so aussieht, von einer eigentlich sehr sympathischen österreichischen Auswanderin.

Seit Februar also gibt es regelmäßig Livemusik, DJs legen auf und der Lärm donnert fast ungefiltert durchs ganze Haus, hinauf bis in den siebten Stock. Auch die Geräuschkulisse vor dem Lokal ist oft unerträglich. Allein die Pausen, wenn sich 20 und mehr Leute vor dem Lokal rauchend anbrüllen, weil sie von der Musik drinnen taub sind, sind für uns Anwohner kaum auszuhalten.
Längst hatte eine Nachbarin auf der anderen Straßenseite ihr Wohnzimmerfenster umfunktioniert. Es diente, besonders an den Wochenenden, als “Wasserwerfer”. Mit Wasser gegen den Lärm, anders wusste sie sich nicht zu helfen.
Auch die Polizei wurde regelmäßig gerufen, allerdings kam sie nur einmal pünktlich genug, um eine wirkliche Lärmmessung vorzunehmen. Ergebnis? Zu laut. Aha!

Solche Szenen, aufgenommen im Februar und März, riefen nicht nur unsere Hausgemeinschaft auf den Plan.

Auch wir waren, wie andere Nachbarn ebenfalls, im Lokal, um uns zu beschweren. Wir wurden abgespeist, der Laden hätte eine Lizenz… soso, Lizenz? Das rief natürlich auch den “Präsidenten der Hausgemeinschaft” auf den Plan. Man schloss sich zusammen, das Haus wollte gemeinsam gegen diesen illegalen Club vorgehen – denn wer will schon, dass die Gläser im Schrank Samba tanzen?
Wir fingen an, Gesetze zu lesen und den Lärm zu dokumentieren. Von wegen Lizenz. Schnell war klar, außer einer ganz normalen Lizenz für eine Bar mit leiser Hintergrundmusik, gab es da quasi nichts.

Kurz bevor in einer “Versammlung der Betroffenen” das weitere Vorgehen besprochen werden sollte, sah ich bei meiner inzwischen zur Routine gewordenen Recherche zu dem Laden, dass eine Teilnehmerin der freitäglichen Jam Session mit einem guten Bekannten befreundet war.
Ob das ein Weg sein könnte, doch noch einmal einen Dialog zu suchen? Immerhin wäre ich im Grunde gerne zu diesen Jam Sessions gegangen. Genau meine Musik, aber leider kann ich ja nicht in einem Laden heute feiern und mich morgen wieder über den Lärm beschweren.

So kam es, dass die Mallorca Revue der Vermittler zwischen dem illegalen Club und den Hausbewohnern wurde. Die Betreiberin wusste, dass sie keine Lizenz hatte. Ihr war spätestens nach der Messung der Polizei auch klar, dass der Spaß richtig teuer werden würde. Sie versprach, dass es keine solchen Veranstaltungen mehr geben werde, bis der Lärmschutz vorhanden sei. Auch wolle sie Veranstaltungen vorverlegen, damit die Leute noch woanders hingehen und nicht bis halb drei vor dem Haus grölen und aus Pappbechern weitertranken.
Das Gespräch, um vielleicht Ruhe reinzubringen, hat am 24. März stattgefunden.

Mit ihrem Versprechen, alles in legale Bahnen zu lenken, gingen wir zu den Nachbarn, erzählten, dass es noch eine bereits lange geplante Veranstaltung geben werde, diese sei allerdings am Nachmittag. Damit konnten die Nachbarn leben.
Wir waren fast ein klein wenig stolz, hatten wir doch erfolgreich vermittelt und für einen internationalen Nachbarschaftsfrieden gesorgt.

Bis gestern. Da donnerte es auf einmal von unten herauf, laut wie nie zuvor! Ich dachte, mir haut es den Schalter raus. Ich eine WhatsApp runter: „Schade! Geht genauso weiter.“
Kommt zurück: „Um 11 ist Schluss. Montag wird die neue Anlage installiert und die Lizenz ist beantragt.“
Auf meine Anmerkung, dass man auch nicht Auto fahren darf, bis man den Führerschein hat, kam dann, dass Anwalt und auch Toningenieur gesagt hätten, dass sie weiter arbeiten dürfe…
Jaja, arbeiten ja, aber eben mit Hintergrundmusik, so wie es in der Lizenz steht. Ob der Anwalt das wohl eher so gemeint haben könnte… grübel.

Statt jetzt einen schönen Samstag zu haben, renne ich zu meinen mallorquinischen Nachbarn und entschuldige mich dafür, dass wir uns für den Laden eingesetzt haben. Es ist wirklich an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Kaum sind die Nachbarn beruhigt, wird so weitergemacht wie vorher, nur lauter.
Weder ist zumindest der versprochene Vorhang als Art Doppeltür angebracht, damit der Lärm nicht ungefiltert nach außen dringt, noch wird vor der Tür für Ruhe gesorgt. Und dass die immerhin bereits durchgeführte Schall(putz)isolierung für eine Live Musik-Lizenz ausreicht, darf nach gestern Abend auch bezweifelt werden.

Schade, dass einige immer denken, man müsse sich in einem fremden Land nicht an die fremden Regeln halten.