Mallorca hat sich verschätzt – und das mit Ansage!

29 Mai, 2022
Ein Artikel von: Kenny Deppe

Symbolbild – Zwei Kellner „helfen“ einem betrunkenen Urlauber aufzustehen, weil dieser das Lokal mit seinem Bett verwechselte.

Die Saison hat noch gar nicht richtig angefangen und schon sind auf Mallorca die „alten Probleme“ zurück.

Das Jahr 2022 sollte ein historisches Jahr für Mallorca werden. Spanien hat nahezu alle Corona-Maßnahmen beendet und die Hotelverbände sehen Indikatoren, dass dieses Jahr mehr Urlauber kommen werden, als 2019. Viele hatten viel vor und sahen nach Corona die perfekte Zeit für einen Neustart gekommen. Es war sogar zu hören, dass die Pandemie auch etwas Gutes hatte. Zwei Jahre lang war der bei vielen so verhasste „Sauftourismus“ in Magaluf und am Ballermann kaum ein Thema mehr. Einige meinten sogar, die positive Entwicklung der Playa de Palma hätte dadurch einen Sprung von mehreren Jahren gemacht.
Die Stimmung? Historisch! So zumindest bekam man den Eindruck.
Nun allerdings… nun hat die Saison begonnen. Und mit ihr sind auch die bösen Schlagzeilen über Mallorca zurück. Der Kater am Morgen danach, bei denen, die das „Ende des Sauftourismus“ feierten? Vermutlich ebenso historisch wie ihre Erwartungen!

Magaluf hatte am 12. Mai das erste „Balconing-Opfer“ der Saison – der Mann soll unter Drogen gestanden haben. Am selben Tag sprang nahe Santa Ponsa ein anderer Mann von einer 25 Meter hohen Klippe, prallte gegen einen Felsen, wurde bewusstlos und ertrank – alles live gestreamt von seiner Frau, vor den Augen seiner Kinder.
Vor etwas über einer Woche dann die erste große Schlagzeile an der Playa de Palma. 13 deutsche Urlauber wurden festgenommen, weil sie beim Feiern auf dem Hotelbalkon ihre Kippen auf das Schilfdach einer Terrasse geworfen haben sollen. Die fing natürlich Feuer, das Dach ist komplett abgebrannt, die Terrasse nicht nutzbar – und was mit dem Lokal und auch dem darunterliegenden wird, bleibt vorerst offen.
Vorgestern nun die Meldung, dass zwei deutsche Urlauber verhaftet wurden, weil sie eine Frau vergewaltigt haben sollen. Und ein weiterer Brite stürzte in Palma vom Balkon – er soll wohl stark alkoholisiert gewesen sein. Mallorca ist wieder in aller Munde.

So historisch manch einer die „Chance durch Corona“ auch sah, das Image Mallorcas mit einem Schlag verändern zu können, so historisch sind leider auch diese Schlagzeilen. Wir haben noch nicht einmal Juni und sie reichen schon für die ganze Saison. Lediglich die Schlägerei mit fliegenden Barhockern und die Schlagzeilen über rechtsradikale Gruppierungen fehlen in der Sammlung, dann ist vollends alles beim Alten. Aber der Sommer kommt ja noch…

Mallorca verändert sich nicht, nur weil irgendwer das so beschlossen hat

Das bittere Fazit der noch jungen Saison: Von alleine ändert sich nichts. Es war abzusehen, dass Mallorca mit dem Ende der Corona-Beschränkungen vollständig zur alten Normalität zurückkehrt – wie schnell und heftig das geschieht, ist allerdings überraschend. Da hilft es auch nichts, wenn die Balearenregierung in Großbritannien eine „Aufklärungskampagne“ fährt, dass man hier keine Saufurlauber möchte und Balconing verboten ist. Es hilft auch nichts, wenn man Hoteliers mit Strafen droht, sollten sie nicht gegen Gäste vorgehen, die an Balkonen herumklettern.
Auch die Benimmregeln, zu deren Durchsetzung sich die großen Party-Lokalitäten am Ballermann verpflichtet haben, machen da nicht viel aus. Ich persönlich habe schon vor Corona beobachtet, wie die Security im Megapark und Bierkönig sekundenschnell zur Stelle war, um herumpöbelnde Gäste nach draußen zu befördern. Die Selbstverpflichtung ist also kaum mehr als das Bekenntnis dazu, dass man auch weiterhin für eine friedliche Party auf dem eigenen Gelände sorgen wird. Und das ist eben der ganz relevante Punkt: auf dem eigenen Gelände! Denn auf der öffentlichen Straße haben die Sicherheitskräfte der Party-Lokalitäten keinerlei Befugnis. Hier ist einzig und allein die Polizei zuständig.

Und da kommen wir zum großen Problem. Wenn die Anwohner sich über pöbelnde und grölende Party-Urlauber, oder Uringestank im Hauseingang beklagen, dann können die großen Party-Lokale dagegen wenig unternehmen. Genauso wenig wie gegen Hütchenspieler, Drogenhändler oder Taschendiebe. Klar, viele dieser Probleme entstehen deshalb, weil eben Woche für Woche zehntausende zum Feiern an den Ballermann kommen. So viele Menschen locken Taschendiebe an. Und bei so vielen Menschen sind dann auch immer welche dabei, die sich daneben benehmen. Das ist leider überall so, nicht nur am Ballermann. Aber was möchte man dagegen tun? Den Ballermann tatsächlich abschaffen? Die Playa de Palma ist immerhin für 3,16% des balearischen Bruttoinlandsprodukts verantwortlich! Nur mal so zum Vergleich: Die Automobilindustrie machte 2016, laut statistischem Bundesamt, 4,7% des deutschen Bruttoinlandsprodukts aus.

Die Playa de Palma hat für die Balearen also eine ähnlich hohe Bedeutung, wie die Automobilhersteller für Deutschland. Und machen wir uns mal nichts vor: Ein signifikanter Teil davon hängt direkt vom Ballermann ab. Das könnte man sicherlich ändern, aber das geht nicht von heute auf morgen. Nein, den Ballermann im Rekordtempo abzuschaffen, kann sich niemand wirklich wünschen. Man kann ihn in einem jahrelangen Prozess wandeln, aber dafür muss man eben auch etwas tun.

Viele der Probleme könnte man durch Polizeipräsenz und gezielte Ansprache auffälliger Urlauber reduzieren. So wie die Security in den Läden mit einem bestimmten „Hey! So nicht!“ die Hausregeln umsetzt, muss auch die Polizei auf der Straße auf die bestehenden Regelungen hinweisen, wenn Urlauber sich daneben benehmen. Da reden wir nicht mal von Strafen und Verhaftungen. In den meisten Fällen wird es wohl reichen, wenn ein uniformierter Beamter daran erinnert, dass die Party bitte in den Lokalen stattfindet und nicht vor den Häusern der Anwohner. Die Polizeipräsenz ist am Ballermann allerdings traditionell „dünn“. Und dieses Jahr droht die Sommer-Verstärkung der Polizei kleiner auszufallen, als in den anderen Jahren. Die Polizisten vom Festland wollen nicht auf Mallorca arbeiten, da die explodierenden Mietpreise auf der Insel ein Loch in ihren Geldbeutel reißen würden. Gepaart mit einem voraussichtlichen Rekordsommer und dem „Pandemie-Nachholbedarf“, könnte da noch einiges auf uns zukommen.

Mallorca droht also tatsächlich ein historisches Jahr. Weder hat sich etwas in Magaluf geändert, noch am Ballermann. Im Gegenteil, aktuell macht es sogar den Eindruck, als könnte dieses Jahr heftiger als die Jahre vor der Pandemie werden. Der verhasste Sauftourismus schafft sich nicht von selber ab, nur weil irgendwer das jetzt so beschlossen hat. Und dass die alte Strategie der immer neuen Benimmregeln nicht funktioniert, sollte inzwischen auch beim Letzten angekommen sein. Wer ernsthaft das Verhalten einiger Urlauber verändern möchte, muss die bestehenden Regeln erstmal tatsächlich umsetzen, statt sie nur immer weiter zu verschärfen.

p.s. Die negative Entwicklung bemerkt übrigens nicht nur die Balearenregierung. Selbst eingefleischte Playa-Fans, die während der Saison mehrfach hier sind und sogar im Winter ab und zu nach Mallorca kommen, äußern ihr Unverständnis. So schrieb einer in den sozialen Medien „Was ist nur auf der Insel los?“ und ein anderer berichtete uns in einer privaten Nachricht, dass er kürzlich auf Mallorca war und nun erstmal „Abstand von der Insel“ bräuchte. Viele die zum Feiern hier sind, würden ihre Grenzen komplett ignorieren und im wahrsten Sinne des Wortes saufen bis zum Umfallen.