„Hass-Spaß unter Kollegen: Warum gegenseitige Abneigung belebend wirken kann!“

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Von : Larissa Vogler

„Es hat viel Spaß gemacht, sich gegenseitig zu hassen“

„Es war ein Riesenspaß, sich zu verabscheuen“

Olivia Colman und Benedict Cumberbatch, bekannt geworden durch ihre Rollen als Queen und Sherlock Holmes, verkörpern in den USA ein zerstrittenes britisches Ehepaar. Ein Gespräch über die Magie langer Ehen, makabere Scherze und Death Metal.

London, ein Hotelzimmer, früher Nachmittag. Olivia Colman und Benedict Cumberbatch sitzen entspannt und freundlich vor der Kamera, ein eingespieltes Team. Ein kleiner improvisierter Moment entsteht, als die Kamera zu früh angeschaltet wird und Colman noch nicht ganz bereit scheint. „Entschuldigen Sie, ich esse gerade noch einen Keks“, erklärt sie, während Cumberbatch mit seiner tiefen Stimme scherzhaft hinzufügt: „Beginnen Sie ohne mich, Martin.“ Schon in diesen ersten Momenten wird die Mischung aus britischem Humor und Wärme spürbar, die die beiden zu weltweiten Publikumslieblingen gemacht hat.

Der Film, über den sie sprechen, ist jedoch keineswegs eine leichte Kost. „Die Rosenschlacht“ ist eine moderne Neuinterpretation von Danny DeVitos dunkler Kultkomödie „Der Rosenkrieg“ (1989). Darin spielten Michael Douglas und Kathleen Turner ein Ehepaar, das in einem absurd brutalen Scheidungskrieg endet. Colman und Cumberbatch sind Ivy und Theo, ein britisches Paar mit zwei Kindern in den USA. Von außen wirkt ihr Leben perfekt: eine glückliche Ehe, beruflicher Erfolg, ein schönes Zuhause. Doch als Theos Karriere plötzlich endet und Ivys Karriere aufsteigt, kippt die Balance. Missverständnisse und Frustration entladen sich im Alltag, etwa wenn Theo, nun arbeitslos, den Kindern Läuse aus dem Haar kämmt, während seine Frau bei Empfängen glänzt. Es entbrennt ein Kampf, der in seiner Komik und Brutalität eskaliert: ein Feuerwerk aus schmerzhaften Spötteleien, Eitelkeit, Neid und unerfüllten Sehnsüchten.

WELT: Haben Sie ein Lieblingslied von Napalm Death?

Olivia Colman: (sie beendet ihren Keks) Ein Lieblings–was?

Benedict Cumberbatch: Er fragte nach deinem Lieblingslied – von Napalm Death.

WELT: Das frage ich nur, weil eine Szene in Ihrem neuen Film sehr eindrücklich ist – in der Sie sich während eines Abendessens mit Freunden heftig streiten. Und am Ende fordert Ivy Alexa auf: „Spiel Napalm Death!“

Colman: Oh, entschuldigen Sie bitte. Ich dachte immer, Napalm Death sei der Titel eines Songs, ich wusste nicht, dass es der Name der Band ist.

Cumberbatch: Ich wusste zumindest, dass es Death Metal ist. Es war definitiv die aggressivste Musikwahl, um dem Streit eine besondere Note zu verleihen.

WELT: Napalm Death haben Alben wie „From Enslavement to Obliteration“ veröffentlicht. Passend als Untertitel für die Hölle der Ehe, die Sie darstellen, oder?

Colman: Das klingt definitiv so, als ob Napalm Death eine sehr nette Gruppe wären (lacht). Ihre Musik funktionierte hervorragend für diese Szene. Das zeigt, wie kunstvoll unser Drehbuchautor Tony McNamara ist, der ein tiefes Verständnis für die verschiedensten Dinge hat.

WELT: „Die Rosenschlacht“ ist keine direkte Neuverfilmung von „Der Rosenkrieg“, sondern eine Neuinterpretation. Ihre Charaktere Ivy und Theo sind beide extrem auf beruflichen Erfolg fixiert, gleichzeitig von schlechtem Gewissen geplagt, wenn es mit der Work-Life-Balance nicht klappt – mehr als das bei Michael Douglas und Kathleen Turner der Fall war. Ist das vielleicht eine der großen gesellschaftlichen Veränderungen in den 36 Jahren zwischen den Filmen?

Cumberbatch: Michael Douglas spielte bereits 1987 in „Wall Street“ den Börsenmakler Gordon Gekko, der sagte: „Gier ist gut.“ Der Drang nach Erfolg war bereits in den 80er Jahren ein starker Antrieb. Damals begann alles: die Turbulenzen eines entfesselten Individualismus, die den Untergang einer bekannten Gesellschaft einläuteten und die freien Märkte in einen kapitalistischen Wahnsinn verwandelten, den wir heute kennen. Wir erleben heute den Nachhall dieser Entwicklungen. Ehrgeiz kann eine gute Führung sein, aber auch sehr zerstörerisch wirken.

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Colman: Da stimme ich zu. Ich glaube nicht, dass sich der Ehrgeiz selbst verändert hat. Aber unser Filmpaar ist – um es genau zu nehmen – mehr ineinander verliebt als das Paar, das Michael Douglas und Kathleen Turner spielten. Und ihre Liebe trägt sie durch die Geschichte.

WELT: Ohne zu spoilern, ist das Ende in Ihrer Version etwas versöhnlicher als im „Rosenkrieg“, wo beide nach einem Sturz tödlich verletzt am Boden liegen, Douglas Turner noch einmal die Hand reicht, sie diese jedoch wegstößt.

Colman: Ja, ich fand diese Szene im alten Film urkomisch.

Cumberbatch: Ich fand sie sehr verstörend, aber es war mutig, das Ende so zu inszenieren. Sehr mutig.

WELT: In Ihrer schwarzen Komödie gibt es urkomische Szenen und solche, die kaum auszuhalten sind. Das erinnert auch an die Verfilmung von Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ mit Elizabeth Taylor und Richard Burton …

Colman: Ja. Unser Regisseur Jay hat diesen Film auch oft erwähnt.

Cumberbatch: Er hat ihn als Bezugspunkt genannt, ja. Wir haben immer wieder überlegt, was wir als nächstes machen könnten – wir kamen auf Paare wie Beatrice und Benedikt aus Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ und auch auf „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“, das oft sehr witzig ist, zugleich aber auch so toxisch und zerstörerisch.

WELT: Sie beide sind schon lange befreundet, haben bislang aber nie zusammen in einem Film gespielt. War Ihre Freundschaft hilfreich, um jetzt ein Paar darzustellen, das sich erbarmungslos fertigmacht?

Colman: Ich denke schon. Die Ironie dahinter ist auch mir nicht entgangen. Es ist schon seltsam, einen Film mit jemandem zu drehen, den man sehr mag – und dann muss man den ganzen Tag über so abscheulich und gemein zu ihm sein. Aber genau darum geht es in diesem Film: um die Höhen und Tiefen einer Beziehung und alles dazwischen. Ich hätte diesen Film nicht mit jemandem machen können, den ich nicht mag. Zugegebenermaßen möchte ich generell nicht mit jemandem arbeiten, den ich nicht kenne.

Cumberbatch: Das sehe ich genauso.

Colman: Manchmal recherchiere ich vor einem Filmprojekt etwas und frage mich dann: „Werde ich mit ihm auskommen?“

Cumberbatch: Und ich bin immer noch der Idiot, der vor einem Film zweimal zum Telefon greift, um Kollegen vorab sozusagen doppelt auszuchecken – statt dann später bei den Dreharbeiten eine Lektion in Kauf nehmen zu müssen. Inzwischen bin ich ja auch nicht mehr der Jüngste: Das Leben ist kurz, um solche Erfahrungen machen zu müssen. Jedenfalls ist diese Person hier neben mir (er zeigt auf Olivia Colman) einfach großartig. Nicht nur als Freundin, sondern auch als Kollegin. Und in diesem Film darf sie die schlimmstmögliche Version von Olivia Colman spielen, die es je geben könnte.

Colman: Ja, es hat viel Spaß gemacht, sich gegenseitig zu hassen. Es hat etwas ungemein Therapeutisches, zu jemandem völlig furchtbar sein zu dürfen – und später herzlich darüber zu lachen. Es ist ja anfangs gerade ihre Verschiedenheit, die sie aneinander attraktiv finden – und genau diese Unterschiede werden später zu dem, was sie am meisten aneinander nervt.

Cumberbatch: Jedenfalls ist es wie ein Wunder, mit Olivia zu arbeiten. Sie hebt die Stimmung am Set, weil sie wie eine Mutter für alle ist. Wenn sie am Drehort ankommt, sagen alle: „Oh, das ist sie ja.“ Und schon ist es ein guter Tag. Und dann beginnt die eigentliche Arbeit – und die ist schlicht überwältigend brillant.

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WELT: Definieren Sie mal „überwältigend brillant“.

Cumberbatch: Olivia ist intuitiv, emotional zugänglich, lustig und wild. Es ist deshalb eine Freude, mit ihr zu spielen, weil sie dich besser macht. Das ist so wie im Tennis: Wenn du gegen einen stärkeren Spieler antrittst, wirst du selbst auch besser. Dass man nett zueinander ist, ist auch wichtig. Aber es gab, zugegeben, auch Momente, in denen es beim Spielen etwas gemein wurde.

WELT: Wenn Colmans Ivy Sie als Theo zusammenstaucht, Sie seien ein Fass ohne Boden der Bedürftigkeit?

Cumberbatch: Ja, da kam es schon vor, dass ich – der supersensible Benny – mal kurz innehalten musste, weil ich so überwältigt war, von dem, was sie gerade spielte. Wenn sie dann quasi über mich kam, sodass ich ihr eine Orange ins Gesicht werfe.

Colman: (lacht) Ja.

Cumberbatch: Und ich war ziemlich gut darin. Aber: Es war ein Schaumstoffball. Noch mal für alle Damen und Herren, die Sie das jetzt lesen: Es war ein Schaumstoffball, keine echte Orange!

Colman: In meiner Erinnerung hat es sich so angefühlt, als wären es echte Orangen gewesen.

Cumberbatch: Wir haben beide in bestimmten Szenen auf unterschiedliche Weise Schmerz gefühlt, der aber natürlich nicht real, sondern gespielt war. Und das ist irgendwie schön. Stellen Sie sich nur mal vor, es wäre wirklich ernst geworden. So nach dem Motto: „Verdammt noch mal, meint Sie das jetzt wirklich?!“ Für diese Film-Momente muss man vorgeben, so gemein zu sein – und das Gefühl dann auch schnell wieder abschalten. Man begibt sich da an einen ziemlich toxischen Ort.

Colman: Zum Glück sind wir beide keine Method-Actors, die mit ihren Rollen vollständig verschmelzen.

WELT: Bleiben wir noch bei diesen besonders toxischen Szenen. Einmal sagt Ivy zu Theo vor der versammelten Freundesgruppe: „Sometimes he has got his cock in me and I can’t even tell“ (dt: Manchmal steckt sein Schwanz in mir und ich merke es nicht mal). Das ist maximale Demütigung coram publico.

Colman: (lacht)

Cumberbatch: Sie machen das viel besser als Olivia. Ich finde, wir sollten Sie diese Stelle nachsynchronisieren lassen. (beide lachen)

WELT: Wenn Sie diese Szene bei einem Auftritt in einer US-Talkshow einspielen lassen würden, würden solche expliziten Inhalte wohl durch sehr viele Pieptöne überdeckt.

Cumberbatch: Ja. Sehen Sie, diese Gehässigkeit kommt daher, dass beide zu dem Zeitpunkt in verschiedenen Lagern sind. Beide fügen sich gegenseitig enorme emotionale Schäden zu. Und weil sie Briten sind – und um sie herum ausschließlich amerikanische Freunde sitzen – finden diese den Schlagabtausch zunächst großartig, weil sie es für eine Art britisches Gesellschaftsspiel halten. Das erinnert dann in der Tat an die Grenzüberschreitungen bei „Virginia Woolf“, als Richard Burton und Elizabeth Taylor sich auf fürchterliche Weise vor diesem jungen Paar, das bei ihnen zu Besuch ist, bloßstellen und demütigen. Unser Drehbuchautor hat das ins Extreme zugespitzt. Jedes Mal, wenn ich diese Szene las, musste ich lachen.

Colman: Ich konnte es kaum erwarten, diese Szene zu drehen.

WELT: Hat die Arbeit an diesem Film Ihre Sicht auf Ehe und Partnerschaften verändert oder geschärft?

Colman: Ja. Während der Dreharbeiten hatten wir eigentlich nur Spaß, uns köstlich amüsiert, dieses Drama mit den Streitereien zu spielen, dann wieder ins Komödiantische zu wechseln. Erst jetzt, da wir Interviews geben, werden wir nach der Ehe an sich gefragt. Es ist ja auch eine interessante Frage.

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Cumberbatch: Während man dreht, versucht man, das Ganze am Laufen zu halten – und solche Fragen für den Moment zu vergessen. Wir haben aber durchaus darüber gesprochen, wie wichtig es ist, in einer Beziehung den anderen im Blick zu behalten, ihn wertzuschätzen, sich nicht zu sehr in seiner eigenen Geschichte zu verlieren. Und wenn man beispielsweise selbst eine schwere Zeit durchmacht, sollte man trotzdem nicht den Blick für den anderen verlieren, dem es ja womöglich aus anderen Gründen auch gerade nicht gut geht. Man muss immer nach Gemeinsamkeiten suchen und sich daran erinnern, warum man sich in den anderen ursprünglich verliebt hat. Denn, wenn du dich in die richtige Person verliebt hast, bleibt dieses Fundament immer bestehen. Das Wunder einer langen Ehe ist, dass sie immer besser und besser und besser wird.

Colman: Na ja, während der Wechseljahre gibt’s vielleicht mal eine Delle – aber danach wird es wieder besser.

Cumberbatch: Ja, aber dann muss man großherzig und entgegenkommend sein.

Colman: Und geduldig.

Cumberbatch: Sehr geduldig.

WELT: Michael Douglas hat im Original aus Frust ins Essen gepinkelt. Theo nimmt einen Video-Clip auf, wie er sich eine Warze am Zeh entfernt und damit ein Ragout würzt …

Cumberbatch: … es ist eine vom Fußpilz befallene Warze, ja. So etwas zu tun, ist jedenfalls kein Fundament für eine gute Ehe.

Colman: Ich würde das auch nicht als empfehlenswert erachten, wenn man eine lange Ehe führen will. (beide lachen)

WELT: Worauf ich hinauswollte …

Cumberbatch: Ja, bitte?

WELT: Man kennt diese Art Humor aus anderen Komödien Ihres Regisseurs Jay Roach wie „Mein Braut, ihr Vater und ich“ und den Fortsetzungen, bei denen schon mal eine konservierte Vorhaut in hohem Bogen ins von Barbra Streisand vorbereitete Fondue fliegt. Braucht es diese Ekel-Gags, diese bizarre Form des comic relief, um all die Ehe-Abgründe mit ihren realen Hintergründen erträglich zu machen?

Cumberbatch: Die Fußpilz-Warze ist natürlich eine Anspielung auf die Pinkelszene von Michael Douglas. Aber, ja, diese Form des Humors ist eine Art Befreiung.

Colman: Es ist ja fast schon ein Moment des Fantastischen, wenn etwas so absolut Ekliges passiert. Die beiden Figuren tun sich derart extreme Dinge an, dass es in diesen Überzeichnungen komisch wirkt. Angesichts der Traurigkeit, die mit dem Scheitern der Ehe einhergeht, sehnt man sich nach der Erleichterung durch ein Lachen. Und das geht in einer Tragikomödie wunderbar zusammen.

WELT: Im Hintergrund werden leitmotivisch auch oft die Unterschiede zwischen Briten und Amerikanern mit Spott überzogen. Beispielsweise, wenn Ihr britisches Ehepaar von seinen amerikanischen Freunden in einen Schießstand eingeladen wird, wo dann selbst diese liberale Clique zu Waffenfans wird und versucht, den Briten zu vermitteln, dass es Spaß macht, einfach loszuballern. Wie schwer ist es, ein so kontroverses Thema, mit Satire leichter und lächerlich zu machen?

Cumberbatch:

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