Corona-Demo in Palma – Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

20 Sep, 2020
Ein Artikel von: Kenny Deppe

Die ersten Demonstranten versammeln sich.

Gestern fand in Palma erneut eine Demo gegen die Corona-Maßnahmen statt. Die Ziele der Organisatoren klingen vernünftig. Der Weg dahin bleibt leider fragwürdig.

Es ist schon etwas eigenartig, was derzeit in Spanien geschieht. Seit Wochen stecken wir mitten in einer „zweiten Welle“. Ein Blick auf die reinen Zahlen lässt da keine zweite Meinung zu – und das obwohl Spanien das Land mit den heftigsten Restriktionen Europas ist. Kein Nachtleben, generelle Maskenpflicht, Rauchverbot in der Öffentlichkeit, die Anzahl der Personen bei privaten Treffen ist sehr stark eingeschränkt und nun gibt es sogar teilweise Lockdowns in einigen Städten des Landes, wie zum Beispiel in Mallorcas Inselhauptstadt Palma oder auch Madrid.

Da darf man sich tatsächlich die Frage stellen, wie das zusammenpasst. Die Corona-Lage auf Mallorca war im Juni absolut mit der in Deutschland vergleichbar. Spanien war noch im Alarmzustand, während man in Deutschland bereits seit zwei Monaten von einer „Öffnungsdiskussionsorgie“ sprach und lockerte was das Zeug hielt.
Während Deutschland also bereits seit über zwei Monaten die „neue Normalität“ genoss, ging Spanien mit heftigen Einschränkungen aus dem Lockdown. Woche für Woche wurden die zurückgewonnen Freiheiten allerdings wieder eingeschränkt. Kaum eineinhalb Monate später war das ganze Land (mit Ausnahme der Kanaren) wieder Risikogebiet, während im lockeren Deutschland inzwischen sogar über die Öffnung der Fußballstadien diskutiert wurde.

Diese Dinge sind es, die auch Lukas Grüter nicht versteht. Er ist einer der Mitorganisatoren der Demos gegen die Corona-Maßnahmen. Ende August machte er mit einer Demo auf der Plaza de España auf sich aufmerksam, bei der er „das Ende der Fake-Pandemie“ verkündete und Corona als Ausrede dafür sah „uns alle zu entmündigen und einen Prozess zu initiieren, der uns in eine neue totalitäre Weltordnung führen soll“.

Gestern stand nun die nächste Demo gegen die derzeitigen Maßnahmen an. Um die 200 Demonstranten liefen vom Hafen in Portixol bis zur Kathedrale, wo einige Redner ihre Sichtweise zur Corona-Lage mitteilten. Wir nahmen dies zum Anlass herauszufinden, wer der Mensch hinter diesen Demos ist und was seine Ziele sind. Lukas nahm sich vor dem Beginn der Demo die Zeit und gab uns ein Interview.

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Vom „Verschwörungstheoretiker“, der vor drei Wochen noch von der neuen Weltordnung redete, sahen wir in unserem Interview nichts. Lukas machte den Eindruck, als ginge es ihm um Sinn und Unsinn der aktuellen Maßnahmen und sprach einige Dinge an, über die man tatsächlich diskutieren kann, nein, sogar muss! Corona wird sich über den Winter nicht in Luft auflösen. Ein Großteil der Experten geht davon aus, dass Mitte nächsten Jahres ausreichend Impfdosen vorhanden sein werden, um die breite Bevölkerung impfen zu können (wenn es keine Probleme bei der Entwicklung gibt). Für eine normale Saison auf Mallorca kommt das zu spät, denn in Spanien sollen viele der Einschränkungen gelten, bis es einen Impfstoff gibt. Auch die Stilllegung des Nachtlebens auf den Balearen soll bestehen bleiben, bis der Impfstoff da ist. Es müssen also Wege gefunden werden, wie Tourismus möglich ist. Wege, wie man Touristen nicht erneut mit Maßnahmen wie der Maskenpflicht und den Lokalschließungen überrascht. Einen erneuten Ausfall der Saison wird man sich nämlich schwerlich leisten können. Und dafür braucht es eine Diskussion.

Als vor der Kathedrale dann die Reden beginnen sollten, nahm das ganze leider wieder einen Schwenk in die falsche Richtung… Noch vor dem ersten Redner kündigte Lukas an, dass Helmut Clemens, der Vizepräsident des Gastronomieverbands „Restauración-PIMEM“, nicht wie geplant als Redner auftreten wird. Lukas entschuldigt sich dafür, weil dies sein Fehler gewesen sei: „Ich habe leider den Fehler gemacht zu sagen, dass wir Söhne und Töchter Gottes sind. Und damit hat sich dann der Verband der Restaurants ausgeklinkt, weil er gedacht hat das sei eine religiöse Geschichte, was es ja nicht ist. Ich wollte nur den Wert eines Menschen damit darstellen.“

Den „Fehler“ kann man Lukas aber durchaus verzeihen, denn zu einer Rede von Helmut Clemens wäre es ohnehin nicht gekommen. Dieser kündigte nämlich vorab gegenüber der Mallorca Zeitung an, gar nicht erst das Wort zu ergreifen, wenn es auf der Kundgebung zur Verbreitung irgendwelcher Verschwörungstheorien kommen sollte. Und genau das tat Lothar Hirneise, der erste Redner der Veranstaltung prompt. Ihm ging es nicht um Sinn und Unsinn der Maßnahmen, sondern darum, wie Bill Gates uns alle impfen möchte.

Schade… Lukas Kritik an den Maßnahmen Spaniens war in unserem Interview durchaus nachvollziehbar. Wenn das Land mit den schärfsten Restriktionen die höchsten Infektionszahlen hat, dann MUSS darüber diskutiert werden, was genau schiefgelaufen ist. Denn so wie es aktuell läuft, wird weder die Wirtschaft, noch unsere Gesundheit geschützt. Wenn man sich dann allerdings als Plattform für Verschwörungstheorien präsentiert, hört einem keiner mehr zu. Da können die Kernfragen noch so richtig sein.