Die letzte Generation, die ihr Leben noch nicht ständig festhielt
In einer Berliner Ausstellung werden bisher unbekannte Aufnahmen des Fotografen Daniel Josefsohn präsentiert. Diese Bilder erinnern an seine Vorstellung von radikaler Freiheit und eine Jugendzeit, die frei von der Last der digitalen Überwachung war.
Der lächelnde junge Mann hat sich Plastikbrüste unter das Kinn geklemmt und steht ohne Hemd da, sein T-Shirt liegt ungenutzt auf dem Boden. Hinter ihm prangt ein weißer Kreis auf rotem Hintergrund – ein kleiner Teufel vor einer Nazi-Flagge (ohne Hakenkreuz). Dieses provokative Motiv ist typisch für Daniel Josefsohn, der in den 1990er und 2000er Jahren als prägender Fotokünstler in Deutschland galt und seine späteren Jahre nach einem schweren Schlaganfall mit seiner Frau Karin Müller in dem Bildertagebuch „Am Leben“ im „Zeit Magazin“ festhielt.
Während der Berliner Art Week präsentiert die Galerie Crone über 80 bisher ungesehene Werke Josefsohns. Es ist erstaunlich, dass er überhaupt Werke für unveröffentlicht hielt, denn wenn er für Magazine arbeitete, war es berühmt, dass er oft nur ein einziges Bild einsandte mit der Begründung: „Das ist das beste.“ Dies zeigt, wie selbstbewusst er seinen eigenen künstlerischen Wert einschätzte. Neben seiner Fotografie gründete er auch ein Modelabel und brachte sogar ein Parfüm heraus, das die Essenz aller Weltreligionen einfangen sollte. Sein Leben und Schaffen sind umfassend dokumentiert, und eine Trennung zwischen beiden scheint unmöglich.
Die Ausstellung „Unseen“ ist eine Reise durch die Zeit. Man begegnet alten Bekannten wie der Band Deichkind, die sich aus Alufolie Hüte bastelten, oder der Performerin Peaches in High-Heels und Gorillakostüm. Man sieht erstaunlich viele Genitalien und erinnert sich an eine Jugend, die ohne soziale Medien das tat, was Jugendliche eben tun: herumhängen, gut oder fertig aussehen, Unsinn machen, skaten, Joghurt essen, trinken, rauchen, küssen. Kein TikTok, kein Zwang zum Fitnessstudio, keine Tabus. War das wirklich so einfach? Natürlich nicht.
Josefsohns Bilder zeigen eine Jugend, die rau, chaotisch und gefährlich ist. Er war selbst ein Skater, bis er sich schwer verletzte, und blieb zeitlebens ein Punk. Er forderte die Menschen heraus, die er fotografierte, stand aber meist auf ihrer Seite. In dieser Hinsicht steht er in der Tradition von Fotografen wie Nan Goldin und Wolfgang Tillmans, mit denen er das Hamburger Nachtleben der späten 80er dokumentierte.
Die Fotografien in der Ausstellung zeigen die letzte Generation, die ihr Leben führte, ohne es ständig zu dokumentieren und medial zu reflektieren. Manchmal war zufällig ein Fotograf dabei, und obwohl auch auf seinen Bildern posiert wird, scheinen die Momente einzigartig und damit kostbar.
Die Ausstellung „Unseen“ öffnet am 11. September in der Crone Berlin in der Fasanenstraße 29 und bietet Einblicke in das Werk eines Künstlers, der vielleicht mehr Raum in seinem eigenen Leben hätte einnehmen können, wie die „ungesehenen“ Werke nahelegen.
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Larissa Vogler ist Kulturjournalistin mit einer Leidenschaft für Filme, Serien und Shows. Sie liebt es, unentdeckte Perlen aufzuspüren und ihre Leser mit neuen Ideen zu begeistern.